Während der erste Beitrag einen Überblick über die Bedeutung der Unternehmensnachfolge geliefert hat, geht es nun um harte Zahlen: Wie viele Unternehmen sind betroffen? Welche Branchen stehen besonders unter Druck? Und wie gestaltet sich die Realität hinter den Schlagzeilen? Die Antworten zeigen eindrücklich, warum das Thema so brisant ist – und wie gross die Hebelwirkung einer gelungenen Nachfolge für die Schweizer Wirtschaft sein kann.
Wie viele Unternehmen sind betroffen?
Aktuelle Analysen zeigen, dass in der Schweiz rund 90 000 kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in den nächsten Jahren eine Nachfolgelösung brauchen. Das entspricht etwa 13–14 % aller KMU. Besonders hoch ist der Anteil bei Einzelfirmen, von denen fast jede fünfte (rund 19 %) kurz vor einem Generationenwechsel steht. Auch Aktiengesellschaften (ca. 14 %) und GmbHs (knapp 10 %) sind in grosser Zahl betroffen.
Diese Grössenordnung verdeutlicht: Die Unternehmensnachfolge ist keine Randerscheinung, sondern betrifft einen beachtlichen Teil des Rückgrats der Schweizer Wirtschaft. Angesichts der Tatsache, dass KMU über 98 % aller Firmen ausmachen, ist die Tragweite enorm.
Branchen im Fokus
Nicht jede Branche ist gleich stark betroffen. Die Unterschiede sind markant:
- Druck- und Verlagsgewerbe: rund 23 % der Unternehmen müssen eine Nachfolge regeln.
- Architektur- und Ingenieurbüros: ca. 18 %.
- Unternehmensberatung & Treuhand: knapp 18 %.
- Baugewerbe: rund 18 %.
- Autogewerbe: 17 %.
Diese Zahlen verdeutlichen: Besonders in klassischen, oft eigentümergeführten Branchen ist die Nachfolge ein drängendes Thema. Branchen mit hohem Innovations- oder Wachstumsdruck wie IT oder Life Sciences sind hingegen weniger betroffen, weil hier häufiger Neugründungen dominieren.
Regionale Unterschiede
Auch die geografische Verteilung ist nicht homogen. Während im Tessin etwa 12,5 % der Unternehmen kurz vor der Nachfolge stehen, liegt die Quote in der Nordwestschweiz bei über 17 %. In absoluten Zahlen sind die Ballungsräume Zürich, Bern und die Nordwestschweiz am stärksten betroffen – Regionen also, die ohnehin eine hohe Dichte an KMU aufweisen.
Diese regionalen Unterschiede sind auch ein Hinweis darauf, dass die Folgen von gescheiterten Nachfolgen nicht nur Unternehmen selbst, sondern ganze Wirtschaftsräume betreffen können. Ja, das muss man zuerst einmal sacken lassen.
Wer übernimmt – und wie lange dauert es?
Die Formen der Nachfolge sind vielfältig, aber die Zahlen zeichnen ein klares Bild:
- Familieninterne Nachfolge (Family-Buy-Out, FBO): ca. 40 %.
- Management Buy-Out (MBO, Übergabe an bestehendes Führungsteam): ca. 20 %.
- Management Buy-In (MBI, Verkauf an externe Führungskräfte): ca. 40 %.
Auffällig ist die Dauer: Familieninterne Übergaben dauern im Schnitt über sechs Jahre, während externe Lösungen via MBI oft schon nach eineinhalb Jahren abgeschlossen sind. Die Ursache liegt auf der Hand: Familiäre Rollen, Erwartungen und emotionale Aspekte brauchen mehr Zeit – externe Käufer handeln nüchterner und zügiger. Evtl. kann man hier aus Familiensicht ja auch etwas lernen, was meinen Sie?
Überlebenschancen: Nachfolge schlägt Neugründung
Ein besonders ermutigender Befund, welchen wir schon im ersten Beitrag erwähnt hatten: Nachfolgen sind statistisch stabiler als Neugründungen. 95 % der übernommenen Unternehmen bestehen auch nach fünf Jahren noch, während von Neugründungen in derselben Zeit nur etwa die Hälfte überlebt.
Die Gründe liegen in der vorhandenen Substanz – bestehende Kundenbeziehungen, etablierte Strukturen, eingespielte Mitarbeitende. Wer übernimmt, baut auf einem Fundament auf, statt bei null zu starten. Das macht Nachfolge nicht nur sicherer, sondern volkswirtschaftlich effizienter.
Relativierung: Nicht jedes Unternehmen ist „übergabefähig“
Expert:innen mahnen jedoch zur Vorsicht. Viele der als „nachfolgebedürftig“ gezählten Betriebe sind in der Realität nicht übergabefähig. Gründe sind fehlende Rentabilität, zu starke Abhängigkeit vom Inhaber oder schlicht mangelndes Käuferinteresse.
Realistisch sei laut Schätzungen, dass in der Schweiz pro Jahr zwischen 3’000 und 6’000 Übergaben tatsächlich stattfinden. Das schmälert die Schlagkraft der grossen Zahlen, zeigt aber gleichzeitig, dass eine qualitätsvolle Begleitung dieser Übergaben enormen Unterschied machen kann.
Fazit: Zahlen als Weckruf
Die nackten Zahlen verdeutlichen: Die Unternehmensnachfolge ist kein Nischenthema, sondern eine der zentralen Herausforderungen für die Schweizer Wirtschaft der kommenden Jahre. Zwischen 90’000 potenziellen Übergaben und jährlich einigen tausend realisierten Nachfolgen liegt ein riesiger Handlungsraum – für Unternehmer:innen, aber auch für Politik, Banken und Beratungsunternehmen.
Wer die Zahlen als Weckruf versteht und frühzeitig handelt, erhöht die Chancen auf eine stabile, zukunftsfähige Lösung massiv. Im nächsten Beitrag dieser Serie schauen wir deshalb darauf, wie eine erfolgreiche Nachfolge geplant und umgesetzt werden kann – und welche Strategien sich in der Praxis bewährt haben.